Kirchengeschichte von Mariabrunn

Innenraum

Wieskapelle

Eine Nebenkapelle ist die Wieskapelle. Dieser Raum wurde 1723 an die Kirche angebaut. Seinen Namen hat er von dem dort befindlichen Geißelchristus, einem sogenannten Wiesheiland.
Künstlerisch ist ein „Wiesheiland“ ein ganz bestimmter Typus, als Nachbildung der Gnadenstatue in der Wies. Im Jahre 1730 wurde im Kloster Steingaden (Schongau/Oberbayern) für die Karfreitagsprozession eine Figur des „Heiland an der Geißelsäule“ aus Holz und Leinwand angefertigt und einige Jahre verwendet. Später nahm sie die Wiesbäuerin Maria Lori (von „Wiese“ abgeleitet) in ihr Haus und verehrte diese sehr. Am  14. Juni 1738, während des Abendgebetes, entdeckte sie Tränen im Antlitz dieser Statue.
Rasch entstand die Wallfahrt zu diesem Schmerzensmann. Eine prächtige Rokokokirche wurde erbaut und 1749 eingeweiht. Die Gnadenstatue steht in der Mitte des Hochaltares. In den folgenden Jahren  war „die Wies“ der meist besuchte Wallfahrtsort Europas. Viele Wiesfiguren, Wieskapellen und -kirchen wurden nachgebaut.
Der Heiland steht aufrecht, der rechte Fuß ist etwas vorgestellt. Er hat ein an der linken Hüfte zusammengeknotetes weißes Lendentuch. Er ist sowohl mit Stricken an der Hand als auch mit einer Kette, die mit einer Metallschelle am Oberarm befestigt ist, an eine neben dem rechten Fuß stehende, halbhohe, bauchige Säule gefesselt. Oft waren die Kopien auch am Original berührt worden und hatten dann als Bestätigung ein Siegel am Rücken (sogenannte „anberührte“ Figuren).
In Mariabrunn gibt es seit ca. 1760 eine Wiesfigur. Wahrscheinlich hat die gräfliche Familie Herberstein dies vermittelt. Die Dynastie hatte enge Kontakte zu Bayern und die Kirche bei ihrem Schloß in der Oststeiermark (St. Johann bei Herberstein, nahe Hartberg) wurde vom gleichen Orden wie unsere betreut. Dort steht auch - abseits auf einem Hügel -  seit 1750  eine Wieskapelle!
Die hiesige Figur stand im Oberteil eines Holzaltares und wurde vor zehn Jahren mitsamt der „Muschel“ dieses Altares in die Wand versetzt. Unsere Wiesfigur, die künstlerisch viel schöner und wertvoller als das bayrische Original ist, war im vorigen Jahrhundert zweimal übermalt worden und zwar jedesmal mit weniger blutenden Wunden. Bei der Restaurierung (1983) konnte die ursprüngliche, ausdrucksstarke Fassung mit den blutigen Wunden wieder freigelegt werden; man fand auch die Bohrlöcher für die Oberarmschellen sowie am Rücken eine kleine Eindellung, in der das Siegel als „anberührte Figur“ gewesen sein könnte.

Gegenüber dem Wiesheiland ist eine barocke Bühne mit Kulissen (Mitte 18. Jhdt.). Die Türen können wie ein Vorhang geöffnet werden. Das Bühnenbild zeigt eine barocke Säulengalerie mit Ausblick in einen kunstvollen Garten, Triumphbögen und Wolken. In diesen gemalten Palast werden Szenen aus dem Leben Jesu aufgestellt. Diese Versatzstücke sind in Temperamalerei auf Brettern gemalt und an den Konturen ausgesägt („Konturensägebilder“).
Vier Szenen des Gründonnerstages und Ostersonntags sind original erhalten: Die dreiteilige Fastenkrippe zeigt das letzte Abendmahl, Jesus am Ölberg und den Judaskuß. Bei der Abendmahlsdarstellung ist an der Stelle der Hostie ein Loch; vielleicht wurde dort eine echte Hostie eingesetzt.
Das „Heilige Grab“ ist im Unterbau. Das dazugehörige Versatzstück zeigt die schlafenden Wächter. Heilandsfigur ist keine erhalten; es liegt dort daher eine neobarocke Figur aus dem Beginn dieses Jahrhunderts.
Die Weihnachtsszenen sind leider nicht mehr erhalten.

Neben der Bühne hängt ein Bild, das eine Prozession nach Mariabrunn darstellt. Wie die lateinischen und deutschen Inschriften sagen, ist es die Wallfahrt der Paulaner aus dem Jahr 1770. (Diese Zahl ergibt sich, wenn man die rot geschriebenen Buchstaben als römische Ziffern addiert). Dieses Votivbild ist in der gleichen Technik wie die Kulissen der Bühne hergestellt. Somit haben wir eine ungefähre Datierung der Bühne und können diese Kulissentechnik aus der Nähe sehen.
Für die Kulissen der Bühne hatte man aus Sparsamkeit Leinwand verwendet, die schon einmal (wahrscheinlich 1736) benützt gewesen war, denn auch die Rückseiten der Kulissen sind bemalt. Sie zeigen Figuren und Säulen mit Blattornamenten. (Fotos davon sind rechts neben der Bühne aufgehängt).
Es ist auffallend, daß diese Bühne die „Reformen“ des Kaisers Joseph II überlebt hat und nicht der Zerstörung der Aufklärung zum Opfer fiel.
Die sieben großen, auf Leinwand gemalten Bilder (1736) erzählen die Legende der Entstehung unseres Wallfahrtsortes.

Helenakapelle

Hinter dem Hochaltar befindet sich die Helenakapelle. Das Altarbild zeigt die Kreuzauffindung durch ihre Namenspatronin, die Hl. Helena.

Am 20. Mai 1742 starb Helena von Capello, geb. Albriccia. Ihr Gatte war Gesandter Venedigs am kaiserlichen Hof in Wien. Gräfin Helena war eine innige Verehrerin von Mariabrunn und wurde hier in dieser Kapelle beigesetzt. Das Begräbnis hielt der damalige Nuntius Camillo Paolucci. Ihr Grab ist im Boden unter der Marmorplatte zwischen den beiden Fenstern. Sie liegt mit Blickrichtung zum Hochaltar, das heißt zu unserer Marienstatue. An der Wand zwischen den Fenstern ist die Gedenktafel aus Marmor mit lateinischer Inschrift; an deren Spitze ist das Doppelwappen der Familien Capello und Albricca. Die deutsche Übersetzung des Textes hängt daneben.
Zur Erinnerung an Helena ließ ihr Witwer einen prächtigen Altar errichten, an dessen Spitze wieder das Doppelwappen ist. Die Säulen sind Stuckmarmor.

Altarbild: Auffindung des hl Kreuzes

Es stellt die hl. Helena, die Namenspatronin der Gräfin Elena di Capello dar. Die hl. Helena, Mutter des Kaisers Konstantin, reiste -nachdem ihr Sohn 313 dem Christentum die Freiheit gegeben hatte- in das Hl. Land. In Jerusalem soll sie drei Kreuze gefunden haben. Sie ließ einen Kranken kommen. Bei einem der Kreuze wurde er gesund: dieses war also das Kreuz Christi.
Unser Bild zeigt rechts unten diesen Geheilten und links unten im rosa Kleid die Kaiserinmutter.
Dieses Bild stammt vom venezianischen Maler Francesco Fontebasso und ist sein einziges Altarbild in Österreich. Es ist verständlich, daß Graf Capello einen Künstler seiner Heimatstadt Venedig beauftragt hatte.
Helena sieht als einzige der Figuren zu uns und ihr Gesicht ist sehr ausdrucksvoll gemalt. Wahrscheinlich handelt es sich um ein Portrait der Gräfin.

Petrus und Andreas

Neben dem Altar stehen zwei Holzfiguren, die Heiligen Petrus (links) und Andreas. Das sind die Namenspatrone des Witwers, des Grafen Capello. Beide halten ein Kreuz, an dem sie den Märtyrertod erlitten haben sollen: Andreas auf dem x-förmigen („Andreaskreuz“) und Petrus auf einem verkehrt gestellten. Er soll sich nicht für würdig gehalten haben, in der gleichen Haltung wie Jesus zu sterben.

Erlösung und Sakramente

Mit diesen drei Kreuzesdarstellungen (Helena, Petrus, Andreas) in dieser „Helenakapelle“ (im doppelten Sinn des Wortes; das heißt durch die hl. Helena und das Grab der Gräfin)ist das Ehepaar Capello durch deren Namenspatrone verewigt.

Sakristei

Die Stuckdecke der geräumigen Sakristei zeigt Altargeräteund liturgische Gegenstände. Darstellungen des freudenreichern Rosenkranzes und der göttlichen Tugenden findet man auf den Aufsatzbildern der Rokokoschränke (1763).

Unterkirche

In der Unterkirche ist die lebensgroße Pietá (Maria mit dem toten Sohn im Schoß, von Engeln betrauert), eine Sandsteinfigurengruppe, wurde gestiftet 1658 von Caspar Walckh (stammt also aus der Zeit der Erbauung unserer Kirche). Die Inschrift am Sockel berichtet: gestiftet am 13. März 1658 von Caspar und Barbara Walckh, Forstmeister im Auhof, „zu großem Lob und Ehr“ der heiligsten Dreifaltigkeit, der hl. Maria, Augustinus und Monika und „den abgestorbenen Seelen zu Trost“.